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5 Fragen an Johann Marchner von Wienerberger Österreich

Seit 2020 lenkt Johann Marchner als Geschäftsführer die Geschicke des traditionsreichen Ziegelherstellers Wienerberger Österreich. Im Interview mit Neumayer Projektmanagement berichtet er über aktuelle Baustoffdiskussionen, den Wert von Innovationen, Auswirkungen der Energiekrise und Digitalisierung sowie das Potenzial partnerschaftlicher Zusammenarbeit.

Gestiegene Bau- und Rohstoffkosten sowie die Energiekrise als Folge des Krieges in der Ukraine beschäftigen die gesamte Baubranche. Vieles ändert sich über Nacht, der Ziegel bleibt als stabile Konstante. In verschiedenster Ausführung begleitet er die Menschheit seit Jahrtausenden. Johann Marchner gewährt einen Blick hinter die Kulissen aus Produzentensicht und erläutert, worauf es in Zukunft ankommen wird.

Der Ziegel ist Garant für Langlebigkeit und Wertbeständigkeit.

1. Es gibt eine Konstante in der Branche: Die Diskussion um Baustoffe. Was spricht für den Ziegel?

Der Ziegel steht für Langlebigkeit, Qualität und Tradition. Aber: Ziegel sind vor allem sehr innovative Baustoffe. Wir arbeiten laufend an Weiterentwicklungen. Betrachten wir etwa Wärme- und Kältedämmung oder Schall- und Brandschutz – der Ziegel ist ein vielseitiger Alleskönner für Wand-, Dach- und Fassadenlösungen. Der Ziegel ist Garant für Langlebigkeit und Wertbeständigkeit.

Hinzu kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit. Der Grundstoff Ton ist ein Naturprodukt. Die Wertschöpfung von Wienerberger Österreich findet regional statt. Das schafft und sichert Arbeitsplätze, gleichzeitig werden auch Transportwege reduziert.

Jeder Baustoff hat seine Berechtigung. Über alle Zeiten hinweg hat sich der Ziegel – auch in Kombination mit anderen Werkstoffen – bewährt. Ein Beispiel: In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre boomten Fertigteilhäuser für Privatkunden. Nach anfänglichem großem Run konnten die Anbieter ihre Marktanteile jedoch nicht weiter ausbauen. Der Ziegel hingegen genießt heute ein Top-Image. Aufgrund all seiner Vorzüge und starken Positionierung ist und bleibt er ein begehrtes Produkt.

2. Sie haben Innovationen angesprochen. Der Grundstoff Ton bleibt beim Ziegel immer derselbe, welche Entwicklungen sehen Sie hier?

Richtig, Ton ist der Grundstoff für den Ziegel. Was jedoch an die jeweiligen Anforderungen angepasst wird, ist dessen Rezeptur. Dadurch erhält der Ziegel seine Vielseitigkeit in der Anwendung. Ein traditioneller Grundstoff ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal des Ziegels, sondern trifft ebenso etwa auf Portland Zement zu. Auch wenn sich die Betonrezeptur ändert, bleibt die Basis für dessen statische Eigenschaften der Zementklinker – ein Uraltprodukt.

Aktuell liegt der Innovationsfokus bei Ziegel darauf, eine noch effizientere Weiterverarbeitung des Produkts zu ermöglichen. Je besser ein Baustoff auf dessen Weiterverarbeitung ausgerichtet ist, umso geringer in Summe – Stichwort Arbeitszeit – sind die Baukosten. Sehr lange war die Meinung verbreitet, dass der Ziegel lediglich für „Häuslbauer“ attraktiv wäre. Durch zahlreiche Innovationen der letzten 30 Jahren, vom Schleifen über Anpassungen der Struktur und perfekt abgestimmten Rezepturen, konnten die Eigenschaften des Ziegels maßgeblich verbessert werden. Heute steht der Ziegel auch im großvolumigen Bau für Nachhaltigkeit, lokale Produktion und optimale Einsatzmöglichkeit.

Der Trend in der Baubranche geht stark in Richtung Vorfertigung.

Der Trend in der Baubranche geht stark in Richtung Vorfertigung.

Ziegelprodukte haben dabei großes Potenzial klassischen Beton zu ersetzen. Die größte Herausforderung hierbei sind Fragen zur Vorinstallation. Know-how, integrierte Planung und Beratung werden in Zukunft noch wichtiger. Diese Entwicklung durchzieht die gesamte Baubranche. Diese aktuelle Zeit der Transformation ist für den Baustoff Ziegel eine große Chance.

© Neumayer Projektmanagement/Alexander Müller

3. Stichwort Kosten: Die Bau- und Werkstofferzeugung gilt als energieintensiv. Der Krieg in der Ukraine hat zu einer massiven Preisdynamik bei Energiekosten geführt. Was erwarten Sie für die Zukunft?

Wir beschäftigen uns bereits seit vielen Jahren mit völlig neuen, innovativen Ofentechnologien, die zur Befeuerung kein Gas benötigen. Wir haben vorausschauend investiert und werden schon im nächsten Jahr ein entsprechendes Projekt umsetzen. Für die Zukunft rechne ich damit, dass sich alternative, nachhaltige Technologien durchsetzen werden – auch weil so günstige Gaspreise wie in der Vergangenheit nicht wiederkehren werden.

Die Ressource der Zukunft ist Strom aus erneuerbaren Quellen.

Die Ressource der Zukunft ist Strom aus erneuerbaren Quellen. Etwa zur Herstellung von grünem Wasserstoff als Energieträger. Ich rechne in den kommenden Jahren insbesondere mit massivem Ausbau von Windenergie und Photovoltaik. Zudem haben wir in Österreich bereits jetzt einen hohen Anteil an Wasserkraft im Energiemix.

Durch den technologischen Fortschritt werden Öfen effizienter, zugeführte Energie wird intensiver genutzt und Wärme dort eingebracht, wo sie tatsächlich benötigt wird. Klar ist aber auch, dass die Abkehr von in der Vergangenheit günstigen fossilen Energieträgern sich nachhaltig auf Kostenstrukturen auswirken wird.

4. Die Fachzeitschriften beschäftigen sich immer öfter mit Themen wie dem 3D-Druck und Bauen der Zukunft. Welches Potenzial sehen Sie darin?

Den 3D-Druck kann ich mir etwa für Beton kaum sinnvoll vorstellen. Denn für die Anforderungen heutiger Gebäude ist Beton für sich nicht ausreichend. Sie sind nur in Kombination mit Stahl – Stahlbeton – zu realisieren. Noch am wahrscheinlichsten kann ich mir den Einsatz zur Fassadenverstärkung vorstellen, aber auch hier gibt es technologische Limits. Trotz aller Faszination für neue Errungenschaften ist die Frage der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit zentral: Auch bei 3D-Druck muss das Material in der Masse zur Baustelle transportiert werden. Ein Kubikmeter bleibt auch bei 3D-Druck ein Kubikmeter.

Wo ich tatsächlich sehr großes Zukunftspotenzial sehe, ist die Digitalisierung der Bauwirtschaft – im Sinne der Unterstützung von Menschen auf der Baustelle. Versorgungsketten könnten schon heute zu 100% digitalisiert organisiert werden. Das wäre eine massive Erleichterung für alle Beteiligten. Voraussetzung ist jedoch, dass digitale Möglichkeiten auch mit entsprechender Verbindlichkeit durchgehend genutzt werden und nicht – wie heute noch oft üblich – parallel zu konventionellen Strukturen laufen. Die beste digitale Struktur bringt wenig, wenn aus alter Gewohnheit dennoch weiter mit Papierausdrucken gearbeitet wird.

Die beste digitale Struktur bringt wenig, wenn aus alter Gewohnheit dennoch weiter mit Papierausdrucken gearbeitet wird.

Durch die Digitalisierung werden Arbeitsplätze nicht verschwinden, aber wir werden auch hier Veränderungen erleben. Die Baustelle der Zukunft wird weiterhin nicht ohne Bagger, Muskelkraft, Erfahrung und viel Know-how auskommen. Die Digitalisierung bietet aber jetzt die Chance, Arbeit intelligenter, weniger kraftraubend und qualitativ hochwertiger zu gestalten. Das gilt es zu nutzen.

© Neumayer Projektmanagement/Alexander Müller

5. Was ist aus ihrer Sicht nötig, damit die Baubranche zukunftsfit bleibt und wie wichtig ist dafür partnerschaftliche Zusammenarbeit?

Wir dürfen uns nicht auf Erfolge der Vergangenheit ausruhen. Bewusst provokant: Eine Realisierung, die bei uns zwei Jahre dauert, wird in China innerhalb von drei Monaten umgesetzt. Will die Branche in Zukunft bestehen, müssen sämtliche Optimierungspotenziale für effizientere, wirtschaftlichere und kundenfreundlichere Prozesse gehoben werden.

Mein Eindruck ist, dass entsprechendes Bewusstsein hierfür sowohl in der Bauindustrie wie auch im Baugewerbe breit vorhanden ist. Denn nur so können Immobilienrealisierungen auch in Zukunft in der Breite leistbar bleiben.

Damit das gelingt, ist vor allem partnerschaftliche Zusammenarbeit nötig. Die tragenden Säulen dafür sind Offenheit, Vertrauen und klare, transparente Verträge. Wichtig ist, dass ein partnerschaftlicher Zugang über alle Ebenen hinweg gelebt und integriert wird – vom Produzenten bis hin zum Endkunden.

Wichtig ist, dass ein partnerschaftlicher Zugang über alle Ebenen hinweg gelebt und integriert wird – vom Produzenten bis hin zum Endkunden.

Hierzu ist von Beginn an ein enger Austausch auf Augenhöhe nötig. Gelingt das, profitieren alle: Im besten Fall gibt der Kunde die Planung frei, die Beauftragung des Produzenten erfolgt automatisiert und es wird exakt nach Planung an die Baustelle geliefert und das Projekt realisiert. In der Automobilindustrie gelingt das bereits sehr gut und kann unserer Branche als Beispiel dienen.

Eintrag: 05.08.2022

© Neumayer Projektmanagement/Alexander Müller

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