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„Lean Baumanagement rückt Lösungen in den Fokus“

Lean Baumanagement gilt als Schlüssel um Qualität, Effizienz und Nachhaltigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu steigern. Seit 2019, und bisher einzigartig im deutschsprachigen Raum, bietet das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Graz das Masterstudium „Lean Management“ an. Im Interview berichten Univ.-Prof. Mag. Dipl.-Ing. Dr. Gottfried Mauerhofer, wissenschaftlicher Leiter des Masterstudiums, und Programm-Manager Dipl.-Ing. Kurt Philipp Rockenbauer worauf es bei Lean Baumanagement ankommt.

1. Was kann man sich unter Lean Management vorstellen und wie neu ist der Ansatz?

Gottfried Mauerhofer: Lean Management ist in anderen Wirtschaftssektoren, allem voran dem Maschinen- und Autobau, gut etabliert. Weltweit ist Japan – Stichwort „Toyota-Prinzip“ – Vorreiter, in Europa die Länder Skandinaviens. Lean Management verfolgt ein Grundprinzip: die Optimierung von Mehrwert im gesamten Lebenszyklus durch Reduktion von „Verschwendung“. Lean Baumanagement umfasst alle Prozesse und Abläufe, von der Idee und Planung über die Realisierung von Gebäuden bis hin zu deren langfristiger Bewirtschaftung. Durch diesen integrierten Ansatz trägt Lean Baumanagement zur Produktivitäts- und Qualitätssteigerung sowie zu langfristigen Verbesserungen für mehr wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit bei.

© Fotos: Verena Kaiser Fotographie

„Lean Baumanagement ist weniger eine technische, sondern zuallererst eine kulturelle Frage.“

Kurt Philipp Rockenbauer: Im Vordergrund stehen die wesentlichen Prozesse eines Projektes und wie sie mit besserer Wertschöpfung gestaltet werden können. Lean Baumanagement ist damit weniger eine technische, sondern zuallererst eine kulturelle Frage. Wie können Zusammenarbeit, Abläufe und Strukturen geplant oder neu gedacht werden, um in der Umsetzung für alle Beteiligten bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen? Für gelungenes Lean Baumanagement sind deshalb insbesondere menschliche Aspekte, allem voran Kommunikation auf Augenhöhe und gelebte partnerschaftliche Zusammenarbeit, essenziell. Das erfordert und schafft eine lösungsorientierte Kultur des Zusammenhalts, anstelle von altem Gegeneinander und rückt Lösungen in den Fokus.

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„Lean Baumanagement beginnt bei der Führung. Um es mit Leben zu erfüllen, sind zuallererst Entscheiderinnen und Entscheider gefordert.“

2. Was braucht es, um mittels Lean Baumanagement bessere Ergebnisse zu erzielen?

Gottfried Mauerhofer: Lean Baumanagement beginnt bei der Führung. Um Lean Baumanagement mit Leben zu erfüllen, sind zuallererst Entscheiderinnen und Entscheider gefordert. Egal ob auf Seiten von ausführenden Unternehmen, Planungsbüros, dem Facility Management oder seitens der Bauherren. Lean Baumanagement benötigt eine Kultur der Verbindlichkeit zu gemeinsam definierten Zielen sowie gegenseitiges Vertrauen für die Zielerreichung. Wir wissen aus der Wissenschaft und Praxis, dass die Umsetzung von Gebäuden nach Lean-Methode produktiver und nachhaltiger ist. Wichtig ist, auf Managementebene Bewusstsein für nötige Schritte zu schaffen und diese konsequent voranzutreiben. Lean Baumanagement ist ein kontinuierlicher Lern- und Verbesserungsprozess.

Kurt Philipp Rockenbauer: Am Beginn steht eine genaue Analyse von Wertschöpfungsprozessen: Was hat bisher gut geklappt und wo muss man ansetzen, um noch besser zu werden? Lean Baumanagement bedeutet nicht, dass keine Fehler mehr passieren, sondern sie zu erkennen, offen und transparent zu benennen und Abläufe durch gewonnene Learnings kontinuierlich zu verbessern. In der Praxis wird am häufigsten das Last Planner-System angewendet: Abläufe und Ziele werden in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Professionen definiert und die kommenden Schritte koordiniert. Dadurch können in der Ausführung wesentliche Verbesserungen der Produktivität sowie hinsichtlich Termintreue erreicht werden.

3. Welche Herausforderungen ergeben sich aus der Etablierung von Lean Baumanagement?

Gottfried Mauerhofer: Die größte Herausforderung ist eine gewisse Offenheit für einen Kulturwandel. Die Einführung von Lean Management erfordert insbesondere in der Konzeptionsphase mehr Engagement von allen Beteiligten. Besonders bei ersten Besprechungen ist es nötig, dass Entscheiderinnen und Entscheider mit an Bord sind und in gemeinsamer Diskussion Ziele und Wege zur Zielerreichung definieren. Auch dem Bauherren kommt hier eine viel aktivere Rolle als in der Vergangenheit zu – sie müssen bereits in einer frühen Phase genauer wissen, welche Ergebnisse erreicht werden sollen. Dabei hilft wiederum der interdisziplinäre Ansatz; insbesondere auch die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer für die Lebenszyklusphase der Bewirtschaftung. Lean Baumanagement benötigt keine teuren Softwarepakete. Im Grunde genügen ein Stift, ein White-Board und Post-Its.

Kurt Philipp Rockenbauer: Lean Baumanagement setzt gegenseitiges Vertrauen sowie laufende, lösungsorientierte und transparente Kommunikation voraus. Das schafft für alle Beteiligten die notwendigen Rahmenbedingungen um Wertschöpfungspotenziale zu heben. Anstelle des Silo-Denkens der Vergangenheit tritt ein Wir-Spirit, ein Weg der anfänglich fordert. Wir sehen jedoch in der Praxis, dass das oft viel rascher gelingt, als es sich Unternehmen selbst zutrauen. Die Unterstützung oder Moderation durch externe Expertinnen und Experten hilft, in der Regel ist die Lernkurve bei Unternehmen steil. Vor allem, wenn erste Erfolge in der Praxis sichtbar werden.

„Lean Baumanagement bringt die Freude am Bauen zurück.“

4. Was zeichnet das Masterstudium „Lean Baumanagement“ an der TU Graz aus?

Gottfried Mauerhofer: Der Masterstudiengang „Lean Baumanagement“ wird seit 2019 an der TU Graz angeboten – als Vorreiter im gesamten DACH-Raum. Bislang gibt es kein vergleichbares universitäres Angebot. Bereits zum Start haben wir aufgrund der großen Nachfrage die Studienplätze von 20 auf 25 Studierende aufgestockt. Heute haben wir nicht nur Studierende aus Österreich, sondern auch aus Deutschland oder erstmals auch Polen. Ganz wichtig war von Beginn an die Verbindung aus Wissenschaft und Anwendung. Heute vermitteln rund 40 Expertinnen und Experten ihr Wissen – davon jeweils die Hälfte aus der Wissenschaft sowie aus der Praxis des Hoch- und Tiefbaus. Ein Highlight sind jährliche Exkursionen, dieses Jahr führt die Studienreise nach Japan. Auch hier ist uns die Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft wichtig.

Kurt Philipp Rockenbauer: Lean Baumanagement ist die gemeinsame Klammer des Masterstudiums, Kursmodule zu beispielsweise BIM, Gebäudetechnik aber auch administrativen Aspekten der Bau- und Immobilienwirtschaft gewährleisten ganzheitliche vertiefte Ausbildung am aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie Anforderungen an die Branche.

© Fotos: Verena Kaiser Fotographie

„Lean Baumanagement orientiert sich immer an nachhaltigen Lösungen anstelle von Standpunkten. Letztlich zählt, gemeinsam bessere Ergebnisse zu erreichen.“

5. Warum sollten Betriebe der Bau- und Immobilienwirtschaft jetzt auf Lean Baumanagement setzen?

Gottfried Mauerhofer: Neben allen wirtschaftlichen Vorteilen und der Steigerung von Qualität steht für mich ein zentraler Aspekt im Vordergrund: Lean Baumanagement bringt die Freude am Bauen zurück. Wenn Profis partnerschaftlich, offen und transparent gemeinsam Lösungen finden und Ziele dadurch besser erreichen, wird für alle Beteiligten Mehrwert geschaffen – vom Bauherren über die planenden ausführenden Unternehmen bis hin zu den späteren Nutzerinnen und Nutzern.

Kurt Philipp Rockenbauer: Lean Baumanagement orientiert sich immer an nachhaltigen Lösungen anstelle von Standpunkten. Letztlich zählt, gemeinsam bessere Ergebnisse zu erreichen. Durch Lean Baumanagement wird die Weiterentwicklung von Unternehmen sowie der Branche gefordert und gefördert – in Echtzeit und langfristig.

Eintrag: 11.05.2023

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