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Nachhaltigkeit ist ein Vorteil

Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft ist längst kein nice-to-have mehr. Die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) ist ganz zentral in Österreich, um Nachhaltigkeit voranzutreiben. Im Talk mit „Der Partner“ gibt ÖGNI-Geschäftsführer Mag. Peter Engert spannende Einblicke zu aktuellen Entwicklungen.

„Damit sichern wir die Unabhängigkeit, Dinge so zu sagen, wie wir es auch denken.“

Wofür steht ÖGNI und worin unterscheiden Sie sich von anderen Zertifizierungsstellen?

ÖGNI ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO) und finanziert sich ausschließlich über Mitgliedsbeiträge, Zertifizierungen, Ausbildungen und nicht über Steuergelder. Damit sichern wir die Unabhängigkeit, Dinge so zu sagen, wie wir uns auch denken. Der wohl größte Unterschied zu anderen Anlaufstellen ist, dass unsere Auditor:innen Zertifikate als zivilrechtlich haltbares Gutachten ausstellen. Wir sind zudem als einziges österreichisches Council ein „established member“ des World Green Building Councils (WorldGBC) und bestrebt, das europäische Qualitätszertifikat auf internationaler Ebene zu stärken.

Durch die Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) haben wir ein bewährtes System übernommen, an Anforderungen in Österreich angepasst und laufend weiterentwickelt. Für uns sind alle drei Säulen der Nachhaltigkeit zentral: nämlich Klimaschutz, betriebswirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit.

„Gebäudezertifizierungen sind mittlerweile Standard, Investitionen werden kaum noch ohne entsprechende Zertifizierungen getätigt.“

Weshalb werden Gebäude zertifiziert?

Natürlich steht hier einerseits die bessere Verwertbarkeit von Objekten im Vordergrund, damit gleichzeitig die Unterscheidbarkeit von anderen Marktteilnehmern. Allerdings ergeben sich bereits bei der Finanzierung Vorteile durch nachhaltige Bauweise. Gebäudezertifizierungen sind mittlerweile Standard, Investitionen werden kaum noch ohne entsprechende Zertifizierungen getätigt. Denn auf lange Sicht erfüllt man nicht nur Vorgaben der EU-Taxonomie, sondern fördert auch Kreislaufwirtschaft. Nachhaltig zu bauen senkt Lebenszykluskosten und damit auch konkret die Betriebskosten.

Anforderungen an Nachhaltigkeit bringen uns dazu, immer besser und langfristig sinnvoll zu bauen. Die Zeiten sind vorüber, in denen Betonburgen errichtet wurden, die in 30 Jahren keinen Wert mehr hatten. Das ist eine gute Entwicklung!

Geschäftsführer Mag. Peter Engert (ÖGNI) | Bmst. Ing. Markus Neumayer

Fotos: © Neumayer Projektmanagement | Elias Pargan

„Nachhaltigkeit erfordert vorausschauende Planung.“

Welche Aspekte sind bei Neubauprojekten und auch bei der Sanierung vom Altbestand wesentlich für eine Zertifizierung und werden vielleicht manchmal unterschätzt?

Es sind vor allem die zeitintensiven Themen in der Dokumentation, die manchmal unterschätzt werden. Beispielsweise in der Materialökologie, der Schadstofferkundung bei Sanierungen, der Klimarisikoanalyse oder der Rückbaumöglichkeit.

Ein echtes Knock-Out Kriterium ist beispielsweise, lediglich ein Mindestmaß an Barrierefreiheit zu erfüllen. Warum? Wir leben zwar alle länger, werden jedoch älter. Wenn ich nun in einer nicht für eine spätere Lebensphase anpassbaren Wohnung lebe, weil ich vorher keine gebraucht habe, entsteht ein Problem. Nachhaltigkeit erfordert vorausschauende Planung.

Bei Sanierungen unterscheidet sich jedes Projekt; es gibt also keine „Lösung von der Stange“. Die Herausforderung ist, den alten Bestand zu erhalten und hierfür ist ideal, vorab einen Check zu machen, um zu prüfen, wie flexibel das Gebäude ist. Bei Bauten aus den 1950er, 1960er und 1970er-Jahren kann das aufgrund der damals verbreiteten Bauweise auch sehr fordernd sein. Eine Möglichkeit für effiziente Sanierungen ist etwa der Modulbau; beispielsweise durch eine vorgehängte Fassade. Hier gibt es auch bereits Bewegung auf regulatorischer Ebene. So darf man mittlerweile mit einer vorgehängten Fassade über die Baufluchtlinie ragen. Wenn dann noch die Nachfrage steigt, sinkt auch der derzeitige Preis.

Unserer Meinung nach wären die nächsten wichtigen Schritte, Anschubfinanzierung für die Industrie zu fördern und eine stärkere Einbindung von Expert:innen in der Gesetzgebung. Geltende Gesetze sollten stärker auf projektspezifische Weise bewertet werden können.

„Der modulare Raumzellenbau hat große Zukunft; etwa im Einsatz für eine nachhaltige Nachverdichtung bei Gründerzeithäusern, aber auch für beispielsweise einstöckige Fachmarktzentren.“

Wie stehen Sie zu innovativen Bauweisen wie dem modularen Raumzellenbau? Ist das schon die nachhaltige Lösung, die gebraucht wird?

Der modulare Raumzellenbau hat große Zukunft; etwa im Einsatz für eine nachhaltige Nachverdichtung bei Gründerzeithäusern, aber auch für beispielsweise einstöckige Fachmarktzentren. Wir sprechen von kurzen Bauzeiten, monomaterielle Bauweisen, Kreislauffähigkeit, usw. – all das sind Vorteile der innovativen Bauweise.

Persönlich bin ich davon überzeugt, dass wir weniger national und mehr europäischer denken müssen. Viele Regulierungen, beispielsweise die EU-Taxonomie, deuten bereits darauf hin, dass es künftig einfacher werden wird, europäische Lieferketten aufzubauen. Generell glaube ich, dass die Industrie in Österreich mehr in Richtung Rücknahme – Refurbishment – und Wiederverkaufsmodell machen muss, um auf lange Sicht Ressourcen zu sparen und ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu etablieren. Das könnte auch die Politik mittels Anschubfinanzierungen unterstützen. Wenn ich von Anfang an unterstütze und investiere, spare ich am anderen Ende wieder Geld für Förderungen.

Projekte: Sechshauser Straße 3 | Am Freihof 7-9

Visualisierungen: © 3SI Immogroup | JamJam | HAWLIK GERGINSKI Architekten ZT GmbH

Glauben Sie, dass Gebäudezertifizierung in Zukunft gesetzlich vorgeschrieben werden könnten?

Nachhaltigkeit, Flexibilität und solide planbare Betriebskosten können nur von Vorteil sein. Allerdings bin ich kein Freund von Ge- und Verboten. Wer früher zertifizieren ließ, tat das auch aufgrund von gesellschaftlichem Mehrwert und entsprechender Motivation. Heute „muss“ man zertifizieren. Unsere Motivation ist es nicht, Menschen von Zertifizierungen zu überzeugen, sondern Menschen davon zu überzeugen, es gerne zu machen und den Sinn dahinter zu verstehen. Eine Zertifizierung ist keine bürokratische Schikane, sondern ein sehr sinnvoller Prozess an dessen Ende auch bessere Ergebnisse stehen. Auch wenn eine Zertifizierung nicht kurzfristig Effekte zeigt ist der Gewinn langfristig ein großer.

Der wirtschaftliche und regulatorische Druck steigt, diese Entwicklung ist auch allen Marktteilnehmern klar. Aber eine Verpflichtung zur Zertifizierung wollen wir nicht und das halte ich auch nicht für sinnvoll.

„Die EU-Taxonomie ist ein großer Treiber für Zertifizierungen.“

Würden Gebäudezertifizierungen durch Förderungen einen weiteren Schub erhalten?

Ohne entsprechende Nachweise ist es kaum möglich, eine Finanzierung oder Förderung für einen Neubau oder eine Sanierung zu erhalten. Derzeit merkt man einen Aufschwung, jetzt ziehen auch die Banken und Regierungen nach und springen auf den Zug.

Die EU-Taxonomie ist ein großer Treiber für Zertifizierungen. Um das zu illustrieren: eine Bank schnürt vergebene Kredite zu Paketen. Diese „verkauft“ sie wieder für die eigene Refinanzierung. Gelingt es der Bank ein mit der EU-Taxonomie konformes Paket zu schnüren, erhält sie einfacher günstige Finanzierungen – die dann auch wieder an Kunden weitergegeben werden kann. Je nach Verhandlungsgeschick haben wir bei Mitgliedern gesehen, dass die Refinanzierung für EU-Taxonomie konforme Gebäude zwischen 25 und 80 Basispunkten günstiger ist. Das klingt nicht viel, aber auf einen Zeitraum von 25 Jahren ist das eine Menge Geld. Das ist jetzt schon – natürlich abhängig vom Verhandlungsgeschick – fix.

Der zweite, noch gravierendere Punkt: Erfüllt ein Gebäude nicht die Kriterien der EU-Taxonomie, ist es weniger wert. Das werden künftig auch Wirtschaftsprüfer:innen stärker bei Bewertungen berücksichtigen.

Fotos: © Neumayer Projektmanagement | Elias Pargan

Wie ausgeprägt ist das Bewusstsein von Endnutzer:innen zu Zertifizierungen?

Endnutzer:innen, die vergleichweise teuer gekauft haben, verlangen mittlerweile alle ein Zertifikat. Im Bereich des sozialen Wohnbaus ist die Situation weniger klar. Hier wird beispielsweise eine Miete 2,50 bis 2,60 Euro je Quadratmeter mit dem Mietpreisdeckel der Bundesregierung bezahlt, die Betriebskosten sind jedoch doppelt so hoch. Kommuniziert wird jedoch, dass die Kaltmiete das leistbare Wohnen ausmacht. In Wirklichkeit stimmt das nicht, denn es sind die Betriebskosten, die immer schwerer zu stemmen sind. Mit einem zertifizierten Haus schaffe ich es automatisch – dank der Lebenszyklusanalyse – die Betriebskosten zu senken und komme vielleicht auf 2,50 Euro je Quadratmeter Betriebskosten. Das wäre dann echt leistbares Wohnen, weil nach unserer Definition die Kaltmiete dazugehört.

Zu leistbarem Wohnen muss auch Mobilität mitgedacht werden. Wenn man in einer Gegend wohnt, in der man zwei Autos zum Leben braucht, dann sind das Kosten des Lebens bzw. des Wohnens. Wenn eine gute Anbindung vorhanden ist, sind das 10.000 bis 30.000 Euro Anschaffungskosten, die man auf lange Sicht spart.

Das sind die Erwartungen an eine zukunftsorientierte Politik, vor allem diese Themen anzusprechen. Hier selbst für ausreichendes Bewusstsein zu schaffen würde unsere Möglichkeiten als NGO überschreiten. Von einer zentralen Botschaft sind wir jedenfalls überzeugt: „Schau auf lange Sicht auf die Betriebskosten und nicht nur auf die Anschaffungskosten!“

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